Jugendlicher hält eine rauchende Zigarette in der Hand. Darüber stehen die Slogans "Kinder ohne Tabak, JA am 13. Februar" und "Wegen Tabakwerbung rauchen mehr Kinder."

JA zur Volksinitiative «Kinder ohne Tabak»

Am 13. Februar 2022 stimmt die Schweizer Bevölkerung über die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» ab. Hier ein paar Gedanken zum Inhalt der Initiative und weshalb diese bitter nötig ist.

Jugendlicher hält eine rauchende Zigarette in der Hand. Darüber stehen die Slogans "Kinder ohne Tabak, JA am 13. Februar" und "Wegen Tabakwerbung rauchen mehr Kinder."
Bild: Verein «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung»

Was will die Initiative?

Die Volksinitiative «Kinder ohne Tabak» fordert die Eindämmung von Tabakwerbung, die Kinder oder Jugendliche erreicht. Konkret soll diese auf Plakaten, im Kino, in Inseraten, durch Festival-Sponsoring und in Online-Werbung verboten werden.

Wer steckt dahinter?

Hinter der Initiative steht eine breitabgestützte Trägerschaft aus 31 verschiedenen Gesundheits- und Jugendorganisationen. Darunter beispielsweise der Verband der Haus- und Kinderärzte (mfe), die Lungenliga, die Krebsliga, die Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention (AT Schweiz), Sucht Schweiz und das Blaue Kreuz. Hinzu kommen ganz viele weitere unterstützende Organisationen.

Aber Werbung für ein legales Produkt ist doch kein Problem?

Doch! Hier einige erschreckenden Zahlen und Fakten zum Rauchen in der Schweiz:

  • Jährlich sterben 9’500 Menschen an den Folgen ihres Tabakkonsums – das sind ca. 14 % aller schweizweiten Todesfälle 1. Rauchen ist damit das mit Abstand grösste vermeidbare Gesundheitsrisiko. Die Hälfte aller täglich Rauchenden stirbt frühzeitig 2.
  • Gut zwei Drittel (67,6 %) der Raucherinnen und Raucher haben vor dem 20. Lebensjahr mit dem Rauchen angefangen 3.
  • Mehr als ein Viertel (27,1 %) der Schweizer Bevölkerung raucht. Die meisten davon täglich. Männer rauchen häufiger als Frauen, weniger gebildete Menschen häufiger als solche mit höherem Bildungsniveau, Ausländer/innen häufiger als Schweizer/innen, Jugendliche und junge Menschen häufiger als ältere Bevölkerungsteile 4.
  • 62 % der Rauchenden in der Schweiz möchten eigentlich mit dem Rauchen aufhören 5. Das ist aber gar nicht so einfach, denn Nikotin gehört zu den Substanzen, die am schnellsten abhängig machen und eine langjährige Nikotinsucht wieder loszuwerden, ist sehr schwierig.
  • Die Tabaksucht verursacht in der Schweiz riesige volkswirtschaftliche Kosten: ca. 4 Milliarden Franken jährlich 6.

Weshalb braucht es Werbeeinschränkungen?

Tabakwerbung richtet sich speziell an junge Menschen und ist omnipräsent. Das ist auch nicht weiter erstaunlich, wenn man bedenkt, dass den Tabakfirmen Tag für Tag gut zwei Dutzend treue Kundinnen und Kunden wegsterben. Die Tabakindustrie braucht also ganz dringend neue Kundinnen und Kunden  zur Sicherung ihrer Milliardengewinne. Jugendliche begegnen jeden Tag am Wochenende durchschnittlich 68 Anreize zum Rauchen.

Dabei macht sich die Tabakbranche einen Effekt zunutze, den man wissenschaftlich belegen kann: Je früher Kinder und Jugendliche mit dem Rauchen beginnen, desto grösser die Wahrscheinlichkeit, davon abhängig zu werden 7. Und Abhängige sind schliesslich gut fürs Geschäft. Diese Strategie funktioniert, denn wie bereits oben erwähnt, haben 67,6 % der Raucherinnen und Raucher vor dem 20. Lebensjahr angefangen zu Rauchen 6.

Es spielt also eine entscheidende Rolle, ob und wann junge Menschen mit dem Rauchen in Berührung kommen. Für die Tabakmultis sind junge Menschen die Nikotinabhängigen der Zukunft. Deshalb verdienen Kinder und Jugendliche einen besonderen Schutz vor Tabakwerbung. Es braucht in der Schweiz ein umfassendes Verbot von Tabakwerbung, die sich an Kinder oder Jugendliche richtet. Damit können wir die von der Tabakbranche gezielt gewirkte Manipulation von jungen Menschen verhindern. Und wir tragen dazu bei, dass in Zukunft weniger Menschen krank werden und frühzeitig sterben.

Roter Badge mit Abstimmungsparole "JA am 13. Februar zu Kinder ohne Tabak"

Quellen

1 Berechnung ZHAW auf der Basis der Schweizerischen Gesundheitsbefragung, der Statistik der Bevölkerung und der Haushalte (STATPOP) sowie der Todesursachenstatistik, https://ind.obsan.admin.ch/indicator/monam/tabakbedingte-mortalitaet

2 Sucht Schweiz, https://zahlen-fakten.suchtschweiz.ch/de/tabak/wirkung-risiken/risiken-folgen.html

3 BFS – Schweizerische Gesundheitsbefragung (SGB), https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/erhebungen/sgb.assetdetail.11827016.html

4 BFS – Schweizerische Gesundheitsbefragung (SGB), https://ind.obsan.admin.ch/indicator/monam/tabakkonsum-alter-15

5 BFS – Schweizerische Gesundheitsbefragung (SGB), https://ind.obsan.admin.ch/indicator/monam/aufhoerbereitschaft-rauchen-alter-15

6 Fischer, B. et al. (2020): Volkswirtschaftliche Kosten von Sucht. Polynomics, Olten, https://ind.obsan.admin.ch/indicator/monam/volkswirtschaftliche-kosten-von-sucht

7 Kendler, K., Myers, J., Damai, M., Chen, X. (2013). Early Smoking Onset and Risk for Subsequent Nicotine Dependence: A Monozygotic Co-Twin Control Study. Am J Psychiatry, 170(4): 408-413.

Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung: Knappe Kiste im Nationalrat

Die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» wird im Nationalrat nach stundenlanger Debatte mit relativ knapper Mehrheit zur Ablehnung empfohlen. Damit verpasst die Mehrheit der grossen Parlamentskammer dem Jugendschutz einen verächtlichen Tritt. Warum das so ist, versuchen wir in diesem Blogbeitrag zu ergründen.

Politikerinnen und Politiker des Initiativkomitees gehen mit Transparenten durch eine Rauchwolke hindurch
Foto: www.kinderohnetabak.ch/medien/fotos

Am 17. März 2021 rauchten im Nationalrat die Köpfe, als über die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» debattiert wurde. Die Vertreterinnen und Vertreter der SVP, FDP und CVP stellten sich leider fast geschlossen gegen das Anliegen, Kinder vor Tabakwerbung zu schützen. Dank ein paar Mutigen in ihren Reihen, endete die Abstimmung mit 96 zu 84 Stimmen bei 7 Enthaltungen relativ knapp (Hier das detaillierte Resultat und hier die Analyse von SRF-News). 7 mutige Politiker*innen wie Verena Herzog (SVP) oder Isabelle Moret (FDP) haben für ein JA gefehlt.

Bleibt zu hoffen, dass das Volk den Jugendschutz bei der Abstimmung höher gewichten wird, als Gewinn auf Kosten der Gesundheit. Denn sicher ist: Rauchen macht krank – schwerkrank! Die Hälfte der gegenwärtigen Raucherinnen und Raucher werden an den Folgen ihres Tabakkonsums sterben. Jahr für Jahr zählt die Schweiz somit 9’500 Tabaktote. Und Jahr für Jahr verursacht dies soziale Kosten von 4’000’000’000.- (vier Milliarden) Schweizer Franken! Aber damit nicht genug, denn Rauchen macht auch abhängig. Nikotin gehört zu den am schnellsten abhängig machenden Stoffen überhaupt. Rund 60 % der Rauchenden möchte damit aufhören.

Diese Kombination aus krankmachender und suchterzeugender Wirkung macht das Tabakrauchen so gefährlich. Insbesondere für Kinder und Jugendliche. Denn mehr als zwei von drei Raucherinnen und Rauchern haben damit vor dem 20. Lebensjahr angefangen.

Seit ca. 2011 stagniert der Anteil der rauchenden Bevölkerung in der Schweiz. Dies bedeutet, dass wenn jedes Jahr fast zehntausend Menschen an den Folgen ihres Tabakkonsums sterben, gleichzeitig auch ebenso viele mit dem Rauchen beginnen. Schnell wird klar, dass die Tabakbranche gezwungen ist, jedes Jahr neue Kundinnen und Kunden zu finden, weil ihnen die alten wortwörtlich wegsterben. So morbide das auch klingen mag, dies ist leider die knallharte Realität.

Die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» will dem entgegenwirken. Sie fordert ein gesetzlich verankertes Verbot von Zigaretten-Werbung auf Plakaten im öffentlichen Raum. Ausserdem sollen in Zukunft auch Kinowerbung, Inserate, Festival-Sponsoring und Online-Werbung für Tabak nicht mehr erlaubt sein. Dieses Vorhaben unterstützen 28 sehr renommierte Gesundheitsorganisationen, die grossenteils mit Betroffenen einer Tabaksucht oder sogar einer tabakbedingten Krankheit zu tun haben.

Die Initiative will somit eine verführbare und vulnerable Bevölkerungsgruppe schützen. Liebe Bevölkerung und liebe Politiker*innen: Selbst wer ausschliesslich wirtschaftlich denkt; Der Schutz der liberalen Wirtschaftsfreiheit kann niemals höher gewichtet werden als die horrenden sozialen Kosten, die Tabakrauchen JEDES JAHR verursacht. Ach ja, und da sind ja auch noch die 26 Tabaktoten jeden Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr! Bitte hören Sie für einmal auf Ihr Gewissen, denken Sie an zukünftige Generationen und setzen Sie sich für echten Jugendschutz ein. Vielen Dank.

Quellen:

Der Werbung für Alkohol- und Tabakprodukte auf der Spur

Werbung ist allgegenwärtig: Auf Plakaten und Bildschirmen, in Busen und Zügen, im Internet, selbst ganze Hauswände werden dafür verwendet. Dieser Flut auszuweichen ist beinahe unmöglich. Werbung funktioniert. Um ein Produkt verkaufen zu können, muss man es bewerben. Ohne Werbung wird ein Produkt kaum wahrgenommen.

Deshalb bewerben auch die Alkohol- und die Tabakindustrie ihre potentiell gesundheitsgefährdenden und süchtig machenden Erzeugnisse. Dies ist schwer bedenklich! Zumal diese Werbung auch an Kinder und Jugendliche gelangt oder sogar speziell auf sie zugeschnitten wird. Je früher eine Person Suchtmittel konsumiert, desto grösser ist das Risiko einer Sucht im erwachsenen Alter. Dieser Fakt wird schamlos ausgenutzt. Beispiel Tabak: Mehr als ein Viertel (26.5%)1 der gesamten Schweizer Bevölkerung hat vor dem zwanzigsten Lebensjahr täglich geraucht. Betrachtet man nur die Personen, die täglich rauchen, sind es sogar fast zwei Drittel (65,2%)1 die vor dem zwanzigsten Lebensjahr damit begonnen haben.

Junge Menschen sind eine besonders attraktive Zielgruppe der Tabakindustrie. Macht man sie zu Raucherinnen und Rauchern, kann man ihnen über sehr lange Zeit Zigaretten und andere Tabakwaren verkaufen. Dies ist die traurige Realität.

Werbung für Alkohol und Tabak ist in der Schweiz ein Stück weit reglementiert. Nicht alles ist erlaubt. Jedoch sind die Gesetzesartikel teilweise sehr schwammig und in die Jahre gekommen. Zudem gibt es namentlich beim Tabak kantonale Unterschiede. Eine Übersicht über geltende Regeln liefert unsere ausführliche Informationsbroschüre (s. 13) zum Jugendschutz.

Jede Woche liefert die Coop-Zeitung ausgedehnte Alkoholwerbung in rund 2,5 Millionen3 Schweizer Haushalte. In der aktuellen Ausgabe der Coop-Zeitung4 sind 8x Wein, 1x Prosecco, 1x Bier und 4x Spirituosen abgebildet. Ausserdem sind ein 24-seitiges Weinmagazin und der aktuelle Aktions-Prospekt mit weiteren 16 Alkoholanzeigen beigelegt. Mit Werbung für alkoholische Getränke lässt sich offensichtlich ein lukratives Geschäft ankurbeln. Auch Denner, Lidl, Spar, Aldi und Co. stehen diesbezüglich kaum zurück.

Inserat_Coopzeitung
Bild: Inserat Coop-Zeitung (Ausgabe Nr. 22 vom 29. Mai 2018)

Im Fall von Tabak wird eine einheitliche Regelung zurzeit im Rahmen des neuen Tabakproduktegesetzes diskutiert. Im neusten Entwurf hat man sich jedoch leider von einem wirksamen Verbot für Tabakwerbung distanziert. Das ist sehr schade, stehen doch zahlreiche Menschenleben auf dem Spiel. Die gesundheitlichen Kosten für die Gesellschaft sind enorm, sie betragen allein in der Schweiz jährlich mehr als 5 Milliarden Franken2! Ein kleines Zeichen gegen diesen Missstand kann mit der eidgenössischen Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» (www.kinderohnetabak.ch) gesetzt werden.

Der heutige «Welttag ohne Tabak» bietet eine passende Gelegenheit, die Initiative zu unterschreiben. Danke für Ihre Unterstützung!

Quellen:

  1. CoRolAR – Anteil der Personen, die vor ihrem 15., 18. respektive 20. Geburtstag angefangen haben, täglich zu rauchen, Total und nach Alter (2016)
    http://www.suchtmonitoring.ch/de/1/2-3.html?tabak-inzidenz-beginn-regelmassiger-konsum
  2. BAG (Bundesamt für Gesundheit), Zahlen & Fakten zum Tabak
    https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/service/zahlen-fakten/zahlen-fakten-zu-sucht/zahlen-fakten-zu-tabak.html
  3. Aktuelle Auflage der Coop-Zeitung
    http://www.coopzeitung.ch/Werbung
  4. Coop-Zeitung, Ausgabe Nr. 22 vom 29. Mai 2018
    http://epaper.coopzeitung
Logo Lungenliga

Gastbeitrag von Sonja Bietenhard: Der Jugendschutz im Zentrum des neuen Tabakproduktegesetzes

Die Gesundheitsorganisationen kennen die Realität der chronisch Kranken, weil sie sie täglich betreuen. Die Lungenliga zum Beispiel begleitet und pflegt mehr als 80‘000 Patientinnen und Patienten in der ganzen Schweiz. Die chronisch obstruktive Lungenkrankheit COPD aber auch Lungenkrebs, Krebs der Mundhöhle und des Kehlkopfes sowie Herz-/Kreislauferkrankungen: All diese Krankheiten haben gravierende Auswirkungen auf die Lebensqualität und eine klare Reduktion der Lebenserwartung für Betroffene zur Folge. Die Entstehung von Lungen- sowie Herz-/Kreislauferkrankungen hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen. Das Rauchen ist jedoch ganz klar Risikofaktor Nummer eins. Über 90% der Personen, die an einer COPD oder an Lungenkrebs erkranken, rauchen oder haben geraucht.

Tabak macht krank und tötet. In der Schweiz sterben 210 Personen (25 pro Tag, 9‘000 pro Jahr) vorzeitig an den Folgen des Tabakkonsums. Einer von zwei Menschen stirbt an den durch Tabakkonsum verursachten Gesundheitsschäden.

Um gegen diese Tabakepidemie zu kämpfen ist es klar, dass es in erster Linie zu verhindern gilt, dass Menschen mit dem Rauchen beginnen. Die meisten Rauchenden haben in jungen Jahren mit dem Tabakkonsum begonnen. Sechs von 10 Rauchenden haben vor ihrem 18. Lebensjahr mit dem Rauchen begonnen (8 von 10 vor ihrem 21. Lebensjahr). Die Wahrscheinlichkeit, nach diesem Alter noch mit dem Rauchen zu beginnen, ist sehr klein.

Während der Adoleszenz befindet sich der Körper im Wachstum. Die Lungen sind erst im Alter von ca. 20 Jahren ausgereift. Jugendliche, die mit dem Rauchen beginnen, tragen ein hohes Risiko, dass ihre Lungen nie die maximale Grösse und die volle Kapazität entwickeln. Dieselben Jugendlichen entwickeln auch sehr früh Herz-/Kreislaufprobleme. Diese Schäden sind irreversibel. Der Tabakrauch enthält ca. 4‘000 Substanzen. Die meisten von ihnen sind hoch giftig, viele sind krebserregend. Dieses Giftgemisch verursacht in den Atemwegen dauerhafte Gesundheitsschäden. Wir dürfen nicht vergessen: Je früher man mit dem Rauchen beginnt, desto schwieriger ist es, damit aufzuhören.

Es ist eine beängstigende Tatsache: im letzten Jahr haben 7% der 15jährigen täglich geraucht (6‘000). Im Jahr 2013 rauchten von den 15 – 17-Jährigen bereits 18%. Der Anteil Rauchender bei den 15 – 25-Jährigen beträgt einen Drittel. Es ist klar und eindeutig: die heute geltenden Tabakpräventionsmassnahmen genügen nicht. Es braucht zusätzliche Massnahmen, damit Jugendliche nicht mit dem Rauchen beginnen. Der Jugendschutz rechtfertigt diese weitergehenden Massnahmen.

Gemäss WHO sind 78% der Jugendlichen zwischen 13 und 15 regelmässig in Kontakt mit Tabakwerbung. 39% der Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 15 und 25 Jahren geben an, Promotionsgeschenke der Tabakindustrie erhalten zu haben. Eine in Deutschland durchgeführte Studie hat gezeigt, dass Jugendliche, die in starkem Masse der Tabakwerbung ausgesetzt sind, haben eine um 46% grössere Wahrscheinlichkeit, mit dem Rauchen zu beginnen als solche, die der Werbung weniger ausgesetzt sind.

Nur reine umfassende und strikte Regulierung von Tabakprodukten trägt dazu bei, die Anzahl Jugendlicher, die mit dem Rauchen beginnen, zu reduzieren. Der vorliegende Entwurf des Tabakproduktegesetzes genügt dafür nicht. Es ist zum Beispiel absurd, das Sponsoring nur für internationale Anlässe einzuschränken. Es ist bekannt, dass die Festivalgäste (insbesondere bei Open Airs) hauptsächlich Jugendliche und junge Erwachsene sind. An diesen Anlässen werden ihnen Gratiszigaretten offeriert, um die totale Freiheit zu spüren. Was für ein Glück, sich an solchen warmen und unterhaltenden Abenden frei und erwachsen zu fühlen. Nur leider hat der Akt des Rauchens nichts mit Freiheit zu tun.

In diesem Bereich stellt sich sofort die Frage, wie diese Festivals ohne die Unterstützung der Tabakindustrie überleben können. Mehrere Beispiele zeigen jedoch, dass Festivals auch ohne das Geld der Zigarettenhersteller existieren und sich dabei sogar weiterentwickeln können. Das Filmfestival in Locarno verzichtet bereits seit 10 Jahren auf dieses Geld ohne zu leiden. Ebenso das grösste Schweizer Festival „Les six pompes“ in Neuchâtel. Im Gegenteil: Die Lungenliga hat ihre Beteiligung an diesem Anlass über Jahre zugesichert und ist dort mit gezielten Präventionsaktivitäten präsent. Im vergangenen Sommer (2014) hat die Lungenliga eine Umfrage bei den Besuchenden des Paléo Festivals in Nyon durchgeführt, um zu erfahren, ob diese auch bereit wären, den Grossteil der Preisdifferenz zu bezahlen, wenn die Festivalorganisation auf das Geld der Tabakindustrie zu verzichten. Nun: 71% der Befragten stimmten dieser Idee zu. Ein starkes Signal, das Hoffnung weckt.

Das Hauptziel des neuen Tabakproduktegesetzes muss die Gewährleistung des Jugendschutzes sein und somit dazu beitragen, die Anzahl jugendlicher Rauchenden zu reduzieren. Es ist unerlässlich, dass eine kohärente Gesetzgebung im Tabakbereich Einschränkungen beinhaltet. Gerechtfertigte und unumgängliche Einschränkungen, damit Jugendliche nicht mehr durch raffinierte und beeinflussende Methoden, die zurzeit erlaubt sind, zum Rauchen verführt werden. Andere Länder (Norwegen, Finnland, Canada, Frankreich) zeigen, dass Werbeeinschränkungen für Tabakprodukte – nebst dem Preis – ein wirksames Mittel zur Reduktion des Tabakkonsums darstellen. Um den Jugendschutz zu gewährleisten und die Gesundheit wirksam zu schützen braucht es eine strikte Regulierung. Nur so können wir verhindern, dass die Rauchenden von heute unsere Patientinnen und Patienten von morgen werden!

Sonja Bietenhard
Direktorin der Lungenliga Schweiz

Dieses Referat hielt Sonja Bietenhard an der Medienkonferenz „Kinder und Jugendliche schützen: Für ein umfassendes Verbot von Tabakmarketing“ am 24.03.2015 in Bern. Es gilt das gesprochene Wort. Die dazugehörige Medienmitteilung sowie die Referate können auf der Website der Lungenliga Schweiz aufgerufen werden

Gastbeitrag von Dr. Roy Salveter: Werbeverbote bei Tabak und Alkohol schützen die Gesundheit

Kinder und Jugendliche gewinnen durch Werbung eine positive Einstellung zu Alkohol und Tabak. Ob sie die beabsichtigten Adressaten der Werbebotschaften sind oder nicht, spielt dabei kaum eine Rolle. Umfassende Werbeverbote sind zwar politisch umstritten, würden jedoch – zusammen mit anderen Massnahmen – einen besseren Schutz vor den subtilen Beeinflussungen und findigen Werbestrategien der Tabak- und Alkoholproduzenten bieten. In der Schweiz haben diese mehr Freiheiten als in anderen europäischen Ländern.

Die Forschung ist sich weitgehend einig: Werbung verleitet junge Konsumentinnen und Konsumenten zum Alkoholtrinken.
Alkoholwerbung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Jugendliche mit dem Trinken beginnen und dass jene, die schon trinken, den Konsum erhöhen. Jugendliche, die im Alter von 18 Jahren positiver auf Alkoholwerbung reagiert hatten, waren im Alter von 21 Jahren stärkere Alkoholkonsumenten und berichteten über mehr alkoholbezogene Aggressionen, wie eine Studie des Instituts für Suchtforschung von 2004 zeigt. Auch bei Tabakprodukten haben viele Studien den Zusammenhang zwischen Werbung und Konsum bei Jugendlichen festgestellt. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob diese die Werbung bewusst wahrnehmen oder nicht. Jugendliche, die mehr Zigarettenwerbung ausgesetzt sind, fangen eher an zu rauchen als solche, die keine oder wenig Tabakwerbung wahrnehmen.

Der Reiz der Erwachsenenwelt

Werbeeinschränkungen gelten heute vorwiegend dem Jugendschutz. So, wie sie momentan ausgestaltet sind, ist ihr Nutzen jedoch beschränkt. Gesetzlich geforderte oder selbst auferlegte Verpflichtungen der Produzenten, keine Alkohol- oder Tabakwerbung direkt an Jugendliche, sondern nur an Erwachsene zu richten, sind weitgehend wirkungslos. Denn selbst wenn die Werbung keine Jugendlichen darstellt, werden doch Emotionen und ein Lebensgefühl der Erwachsenenwelt vermittelt, die für Jugendliche erstrebenswert erscheinen. In der Phase der Identitätsbildung sind sie für Signale und Symbole des  Erwachsenseins sehr empfänglich. «Erwachsenenwerbung » schützt die Jugend nicht, sie macht Tabak und Alkohol im Gegenteil noch attraktiver.

Die Hersteller von Alkoholika und Tabakprodukten in der Schweiz verhalten sich allerdings weitestgehend gesetzeskonform,
was Werbung und Jugendschutz betrifft. Die nationalen Einschränkungen gelten vor allem für TV- und Radiowerbung. Produzenten verlagern ihre Marketingmassnahmen heute einfach zunehmend in Bereiche, die immer noch erlaubt sind, zum Beispiel ins Sponsoring.

Kein Sponsoring ohne klaren Jugendschutz

Gerade das in der Schweiz weit verbreitete Sponsoring von Sportanlässen oder Musikfestivals macht offensichtlich, dass das Gesetz in puncto Jugendschutzwenig griffig ist. Solche Anlässe werden von Tausenden von jungen Menschen besucht. Vor allem Bierproduzenten erreichen etwa an Fussball- und Eishockeymatches sehr direkt und ganz legal ihr Zielpublikum: Jugendliche und junge Männer. Sie sind jene Bevölkerungsgruppe, die am wahrscheinlichsten einen problematischen Alkoholkonsum entwickelt. Damit sind sie gleichzeitig auch jene Gruppe, der die Alkoholindustrie einen wichtigen Anteil ihres Gewinns verdankt. Eine Verbesserung aus gesundheitspolitischer Sicht bei gesponserten Grossanlässen könnten strenge
Auflagen für den Jugendschutz und besondere Präventionsmassnahmen für Risikogruppen darstellen.

Schwer kontrollierbar: Onlinewerbung

Ebenfalls im Clinch mit dem Jugendschutzgedanken,nicht aber mit dem geltenden Gesetz, ist die stetig zunehmende Werbung im Internet, das Jugendmedium par excellence. Für klassische Onlinewerbung wie Werbebanner und Suchmaschinenwerbung haben Alkoholika-Produzenten im Jahr 2010 knapp 284 Millionen ausgegeben. 2008 lagen die Ausgaben noch bei 155 Millionen Franken. Das Internet bietet auch der Tabakindustrie eine neue Plattform für Werbung, welche schwer kontrollierbar ist. Jugendliche werden einerseits direkt mit Alkohol- oder Zigarettenwerbung oder der Präsenz der Produzenten im Web konfrontiert. Andererseits übernehmen sie selbst die Rolle der Werbenden, indem sie, den Möglichkeiten und Prinzipien des Social Web folgend, selber Inhalte herstellen oder weiterleiten. Das neue Tabakproduktegesetz will diesen Bereich im Sinne des Jugendschutzes klarer regeln und Onlinewerbung für Tabakprodukte künftig untersagen.

Tabakwerbeverbote: Andere Länder gehen weiter als die Schweiz

Die Schweiz ist eines der europäischen Länder mit der schwächsten Gesetzgebung betreffend Tabakwerbeverbote auf Bundesebene. Sie gehört zum Beispiel zusammen mit Deutschland und Bulgarien zu den einzigen Ländern, die über keine nationalen Einschränkungen der Tabakaussenwerbung verfügen. In allen anderen europäischen Ländern ist diese Form der Werbung nicht erlaubt. Bei der Tabakwerbung in Printmedien steht die Schweiz gar ganz alleine da: Als einziges Land Europas hat sie bis heute keine Einschränkungen auf nationaler Ebene eingeführt.

Fünfzehn Kantone verfügen zwar über strengere Einschränkungen, als es der Mindeststandard des Bundes verlangt. Doch es fragt sich, wie wirkungsvoll kantonale und damit auf relativ kleine Gebiete beschränkte Werbeverbote sind. Mit dem neuen Tabakproduktegesetz sollen Minimalanforderungen für die Tabakwerbung eingeführt werden, die dem Gedanken des Jugendschutzes gerecht werden.

Die strengsten Tabakwerbegesetze gelten in Irland, Norwegen, Grossbritannien oder Finnland. In diesen Ländern ist jede Form von Tabakwerbung untersagt, einschliesslich der Produktauslage an den Verkaufsstellen. Die Tabakwaren dürfen also nicht sichtbar sein und müssen beispielsweise unter dem Ladentisch gelagert werden.

Internationale Empfehlungen

Werbeeinschränkungen werden von der WHO als eine wichtige Massnahme in den Empfehlungen des europäischen Aktionsplans 2012–2020 zur effektiven Bekämpfung des schädlichen Alkoholkonsums angeführt. Denn in Bezug auf den Jugendschutz stellen neben den traditionellen Medien gerade neue Marketingkanäle eine Herausforderung dar.

Das WHO-Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs «WHO Framework Convention on Tobacco Control (FCTC)» ist ein wichtiges Instrument für die weltweite Tabakprävention. Bis heute haben es 177 Länder ratifiziert, darunter auch die 27 Mitgliedstaaten der EU. Die Schweiz hat es 2004 unterzeichnet. Für die Ratifikation der Konvention sind gesetzliche Anpassungen, vor allem bei der Regulierung der Tabakwerbung und des Tabaksponsorings sowie bei der Einführung eines Abgabeverbotes für Minderjährige (18 Jahre), notwendig. Diese Punkte werden im neuen Tabakproduktegesetz geregelt werden. Es wird dieser Tage in die Vernehmlassung geschickt und soll zirka 2018 in Kraft treten.

Strukturelle Massnahmen sind billiger und wirksamer

Zahlreiche Studien zeigen, dass strukturelle Präventionsmassnahmen (Verhältnisprävention) wie Besteuerung, Erhältlichkeit
und Werbeverbote wirksamer sind als Massnahmen, die auf einzelne Individuen zielen (Verhaltensprävention). Werbeverbote gehören auch zu den kostengünstigen präventionspolitischen Massnahmen und sind insbesondere dann wirksam, wenn sie das gesamte Marketing umfassen. So haben verschiedene Studien gezeigt, dass der Pro-Kopf-Konsum mit einem umfassenden Alkoholwerbeverbot um durchschnittlich 5 bis 8% gesenkt werden kann. Wer also für einen echten Jugendschutz einsteht, setzt sich für Werbeverbote von gesundheitsschädigenden Produkten ein.

Dr. Roy Salveter
Co-Leiter Abteilung Nationale Präventionsprogramme
Bundesamt für Gesundheit (BAG)

Dieser Artikel erschien ursprünglich im Newsletter spectra Nr. 104 (PDF) vom Mai 2014. Seit 1995 informiert das Bundesamt für Gesundheit mit dem Newsletter spectra über Projekte, Programme und neue Trends in den Bereichen Gesundheitsförderung und Prävention. Abdruck mit freundlicher Genehmigung.