Ein unschönes Déjà-vu

Wer erinnert sich noch an Hooch? Mitte der 90er-Jahre liess sich die Alkohol-Industrie etwas einfallen, um den in westlichen Ländern rückläufigen Alkoholkonsum wieder anzukurbeln: Mit stark gesüssten und poppig aufgemachten Mischgetränken wurde ganz gezielt ein junges Publikum ins Visier genommen. Hooch war eines der ersten und das wohl berühmteste Alcopop. Es wurde millionenfach verkauft und landete viel zu oft bei ganz jungen Konsumierenden.

Hooch & weitere Alcopos der 90er (Bild: Blaues Kreuz Bern-Solothurn-Freiburg)

Kinder und Jugendliche haben einen natürlichen Abwehrreflex gegen den Geschmack von Alkohol. Mit viel Zucker und durch Beimischen von allerlei fruchtig-frischen Aromen umging die Alkoholindustrie mit den Alcopops diese Barriere auf perfide Art und Weise.
Für unzählige Jugendliche begann dadurch ein zerstörerischer Weg in den Alkoholmissbrauch. In Beratungsstellen und stationären Therapie-Einrichtungen ist heute das traurige Resultat sichtbar: Wo früher fast ausschliesslich ältere, mehrheitlich Männer wegen ihres Suchtproblems Hilfe suchten, finden sich nun auch junge Menschen – mit einem steigenden Anteil an Frauen.

Rund 30 Jahre nach der ersten Alcopops-Welle, bedient sich die Nikotin-Industrie des genau gleichen, hinterhältigen Tricks: Mit bunten E-Zigaretten, fruchtig-frischen Aromen und teuren online-Werbekampagnen werden Minderjährige in die Abhängigkeit verführt. Herstellerfirmen und Verkaufsstellen behaupten, ihre E-Zigaretten seinen dazu da, Raucherinnen und Raucher vom extrem gesundheitsschädigenden Zigarettenkonsum wegzubringen. Die jugendliche Aufmachung, die süssen Inhaltsstoffe und die gezielte Werbung verraten aber die eigentlichen Absichten.
Ein Grossteil der heute verkauften E-Zigaretten sind Einweg-Produkte. Der grösste Teil davon wird nicht recycliert, sondern millionenfach achtlos weggeworfen. Dadurch sind diese Erzeugnisse nicht «nur» für den Jugendschutz, sondern zugleich für die Umwelt eine echte Katastrophe.
In zahlreichen Ländern werden diese doppelt schädlichen Einwegprodukte nun verboten. In der Schweiz haben National- und Ständerat ein Verbot ebenfalls beschlossen, das jedoch noch nicht umgesetzt ist.

Die Hersteller haben aber bereits reagiert und bringen neue, theoretisch nachfüllbare E-Zigaretten auf den Markt, die gleich aussehen wie die Einweg-E-Zigaretten und vermutlich grösstenteils auch als solche genutzt werden.
Bleibt zu hoffen, dass der Bundesrat bei der Umsetzung des Verbotes den Mut hat, das Gesetz so zu formulieren, dass auch «Pseudo-Einweg-Produkte» damit aus dem Verkehr gezogen werden!
Und selbst dann bleibt aus Sicht des Jugendschutzes ganz viel zu tun, um den Einstieg von Kindern und Jugendlichen in die Nikotinsucht zu verhindern.

E-Zigaretten (Bild: Blaues Kreuz Bern-Solothurn-Freiburg)

Kommentar zum Entwurf des Tabakproduktegsetzes

Jährlich 8‘000 Tote als Opfer für Wirtschaftsfreiheit und Eigenverantwortung

Kürzlich wurde bekannt, dass viele Schweizer Tomaten zwecks Beschleunigung der Reife mit dem Nervengift Ethephon behandelt werden. Zu Recht empörten sich viele Konsumierende so dass Produzenten und Händler nun ihre Praxis ändern müssen.

Vor drei Jahren standen spanische Gurken im Verdacht, Träger von gesundheitsgefährdenden Erregern zu sein. Als Folge davon brach der gesamte Gurkenmarkt zusammen und bescherte den Produzenten grosse Verluste.

Seit Jahren sterben in der Schweiz jedes Jahr mehr als 8‘000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Provoziert dies eine Welle der Empörung? Bricht deswegen der Zigaretten-Markt zusammen? Wird die Werbung für dieses Tod bringende Produkt unterbunden? Nichts dergleichen. Im Gegenteil: Als Bundesrat Berset am 21. Mai den Entwurf für ein Tabakproduktegesetz vorstellte, erntete er von Wirtschaftsseite und von einigen politischen Parteien harsche Kritik. Wie so oft werden die beliebten Worthülsen Wirtschaftsfreiheit und Eigenverantwortung bemüht, um längst überfällige Massnahmen gegen die krankmachende und tödliche Tabakseuche zu torpedieren und möglichst im Keime zu ersticken. Die Tabakmafia streicht derweilen weiterhin Milliardengewinne ein und lacht sich zufrieden ins Fäustchen.

Gemäss Zweckartikel sollen mit dem Tabakproduktegesetz der Tabakkonsum und seine schädlichen Auswirkungen verringert werden. Ein besonders Augenmerk gilt den jungen Menschen, denn je später der Konsum beginnt, desto grösser ist die Chance, dass jemand wieder aufhören kann. Umfassende Werbe- und Sponsoringverbote kombiniert mit Verkaufseinschränkungen wären erwiesenermassen wirksame Mittel zur Eindämmung des Konsums und der damit verbundenen Schäden.

Bundesrat Berset hat es leider namentlich bei den Werbe- und Sponsoringvorschriften verpasst, rigoros durchzugreifen und hat sich so bereits vor der Vernehmlassung dem Druck der Wirtschaft gebeugt. Traurig und schade zugleich, aber Hauptsache, Tomaten und Gurken gefährden unsere Gesundheit nicht…

Vier Alkoholtote pro Tag – was macht der Ständerat?

Tag für Tag sterben in der Schweiz durchschnittlich vier Menschen an den Folgen des Alkoholmissbrauchs – 1600 Menschen pro Jahr. Dies sind die offiziellen Zahlen des Bundesamtes für Gesundheit. Alkohol fordert viermal mehr Opfer als der Strassenverkehr. Der Missbrauch der Volksdroge Alkohol ist mitnichten ein Problem aus früherer Zeit, sondern leider brandaktuell, in städtischen wie in ländlichen Gebieten.

Einer Mehrheit des Nationalrates ist das piepegal. Ihre Entscheide für ein regelrechtes Alkoholfördergesetz zeugen von erschreckender Faktenresistenz und unerträglicher Ignoranz gegenüber der Alkoholproblematik. Nicht nur hat sie die Vorschläge des Ständerates für Mindestpreise und Verkaufseinschränkungen in Bausch und Bogen verworfen. Die Nationalratsmehrheit hat gleich auch noch das geltende Verbot für Happy Hours und andere Vergünstigungsanpreisungen bei den Spirituosen gestrichen. Dieser „Aufruf zum Flatrate-Saufen“, wie Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf richtig bemerkte, wird durch Werbung und Sponsoring kräftig unterstützt.

Studien zeigen: Mindestpreise sind wirksam. Genf macht gute Erfahrungen mit dem nächtlichen Verkaufsverbot. Beides sind effiziente Massnahmen, um den Alkoholmissbrauch einzudämmen und die Ziele des Gesetzes zu erreichen. Dafür kämpft das Blaues Kreuz zusammen mit den Kantonen, den Städten, dem Polizeiverband und anderen Suchtfachleuten. Hoffentlich knickt der Ständerat nicht ein und hält die Differenzen zum Nationalrat aufrecht.